Antonia aus Hamburg verbringt ein Auslandsjahr nach der Schulzeit mit einem AUF IN DIE WELT-Stipendium der gemeinnützigen Stiftung Mensch und Zukunft. Sie hat sich für das Gap Year für einen Freiwilligendienst in Uruguay entschieden. Sie berichtet hier über die Erfahrungen.
Alles zu ihrem Auslandsjahr und zu anderen Freiwilligendienstlern sind im AUF IN DIE WELT-Blog zu sehen. Informationen und Praxis-Tipps zum Gap Year und zu Freiwilligendiensten nach der Schulzeit gibt es im AUF IN DIE WELT-Portal und im Ratgeber E-Book Gap Year.
Erfahrungen in den Wochen seit dem ersten Bericht, den Wechsel der Einsatzstelle
Die letzten Wochen in Uruguay sind wie im Flug vorbeigegangen und ich konnte schon eine Vielzahl an Erfahrungen und Erlebnissen, wie meine Reisen nach Argentinien und die neuen Freund:innenschaften, sammeln, über die ich sehr dankbar bin.
Wie bereits im ersten Bericht erwähnt, ist Uruguay ein teures Land. Mittlerweile habe ich mich ein bisschen zurechtfinden können. Ich weiß wo es das günstigste Gemüse gibt und dass ich lieber auf Tofu, Hummus und Hafermilch verzichte, um meine Ausgaben gering(er) zu halten. Trotzdem komme ich in Uruguay lange nicht mit meiner Aufwandsentschädigung des Freiwilligendienstes aus. Wie gut, dass ich vorher gearbeitet und einiges an Geld erspart habe.
Vor meiner Abreise wurde mir davon berichtet, dass es eine große Mate-Tee Kultur und Zeremonie in Südamerika gibt - somit war das etwas worauf ich sehnsüchtig gewartet habe. Enttäuscht wurde ich definitiv nicht. Das Matetrinken ist etwas sehr Geselliges und schmeckt auch genauso lecker. Meine Erwartungen wurden auf jeden Fall übertroffen.
Auf der Arbeit habe ich mich mittlerweile auch eingelebt.
Wir haben ein kleines Fest organisiert, um Geld für die anstehende Europa Reise der Schule zu sammeln. Hier gab es einen kleinen Flohmarkt, selbstgemachtes Essen, einen Kurs der uruguayischen Gebärdensprache sowie Vorträge und Gesang auf Deutsch, Französisch, Portugiesisch und Italienisch.
Die Sprachenschule, an der ich eingesetzt bin, hat mehrere Standorte, die über Uruguay verteilt sind. In der letzten Oktoberwoche habe ich die höheren Sprachklassen mit den älteren Schüler:innen auf einen Ausflug zum Standort des Centro de Lenguas Extranjeras in Trinidad begleitet. Von der Schule in Trinidad aus sind wir zum nahegelegenen Geopark gefahren. Die bekannten Grutas del Palacio sind hier die Hauptattraktion, die wir natürlich auch besucht haben. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich überrascht von der Größe der Grutas war. Ich hatte sie mir sehr viel enormer vorgestellt. Ich bin 1,60m groß und konnte entspannt durchgehen.
Ein Mitfreiwilliger hingegen ist um die 20cm größer und für ihn war dies schon etwas schwieriger. Ebenfalls waren wir aber an verschiedenen Seen und weiteren Orten des Geoparks. Als Begleitperson habe ich die Lehrkräfte bei der Aufsicht und Betreuung unterstützt und bei der Essensausgabe geholfen. Spannend fand ich es in den Austausch mit anderen Schüler:innen kommen zu können, die nicht in einer Großstadt wie Montevideo leben und mit ihnen über ihre Wege hin zum Sprachenlernen sprechen zu dürfen.
Mittlerweile weiß ich wie das Schulleben hier funktioniert.
Trotzdem beobachte ich immer wieder neue Dinge, die mich verwundern und mir Unterschiede zum deutschen Schulsystem aufzeigen.
Ganz oben steht hier, die Nähe mit der sich Schüler:innen und Lehrkräfte begegnen. Im Gebiet des Rio de la Plata – zu dem Montevideo auch gehört – ist es typisch sich mit einem Kuss auf die rechte Wange zu begrüßen. Auch in der Schule wird sich so begrüßt, was ich zunächst sehr irritierend fand. Die Lehrkräfte werden geduzt und häufig finden vor und nach dem Unterricht auch noch sehr private Gespräche statt. Ich würde die Lehrer:innen-Schüler:innen- Beziehungen also als viel intimer und enger, weniger autoritär und diszipliniert als in Deutschland, beschreiben.
Der Unterricht wird sehr spielerisch gestaltet und ich merke immer wieder mit wie viel Herzblut die Lehrkräfte im Unterricht dabei sind. Auch den Schüler:innen ist ihre Motivation anzumerken – wobei das Schuljahr sich nun zu Ende neigt und sowohl Schüler:innen als auch Lehrkräfte müde sind. Die Kinder zeigen ein großes Interesse an Deutschland und bewerfen mich regelmäßig mit Fragen. Ganz besonders in Erinnerung ist mir hier ein längeres Gespräch über Bankkarten in Deutschland geblieben. Die drei Schülerinnen wollten wissen, ab wann Kinder ihr eigenes Konto aufmachen können und ob Eltern Einsicht in dieses erhalten.
In Montevideo sind wir drei kulturweit-Freiwillige
Zu dritt haben wir uns mit der deutschen Botschaft in Montevideo in Kontakt gesetzt. Uns wurde schließlich auch eine Besichtigung angeboten. Wir durften den Botschafter und die anderen Mitarbeiter:innen der Botschaft kennenlernen. Unsere Unterhaltung führten wir auf deutsch. Es war ungewohnt alles verstehen und ausführliche Gespräche führen zu können, nachdem ich wochenlang auf jede dritte Aussage nur mit „Que?“ (Was?) und „No se“ (Keine Ahnung/Ich weiß es nicht) geantwortet habe.
Ausflug nach Buenos Aires
Auch habe ich ein verlängertes Wochenende in Buenos Aires bei einer anderen kulturweit-Freiwilligen verbracht. Hier haben wir wieder einmal den späten Rhythmus der Uruguayos bzw. Argentinos mitbekommen: der Vermieter hatte uns zu seinem Theaterstück eingeladen, welches jedoch erst um Mitternacht begonnen hat und natürlich auch auf Spanisch war. Obwohl wir beide weniger als die Hälfte verstanden haben, war es trotzdem eine Erfahrung, die mir sehr wertvoll ist. Kultur verbindet eben – egal ob sprachlich alles verständlich ist. Körpersprache, Lachen usw. sind ja unabhängig von Sprache verbindende Kommunikationsformen. Es ist ein Stück Gemeinschaft, die wir erleben konnten.
Wir haben uns durch die vegane Küche in Buenos Aires getestet, die genau wie in Uruguay zwar in Maßen existiert, aber eben auch teuer ist. Es war ein Stück Urlaub, den wir zusammen bei frühlingshaftem Wetter in Parks und auf dem Markt in San Telmo genossen haben.
Ich nutze meine Wochenenden gerne, um etwas von meinem Gastland kennenzulernen. So bin ich außer nach Trinidad an einem Wochenende nach Fray Bentos gereist. Fray Bentos liegt an der argentinischen Grenze ungefähr 4 ½ Busstunden von Montevideo entfernt. Dort sind zwei kulturweit-Freiwillige in einem Museum der industriellen Revolution eingesetzt. Ich habe die Beiden auf die Arbeit begleitet und einen Einblick in die Unterschiede zwischen den jeweiligen Einsatzstellen sowie ihr Leben in Fray Bentos bekommen dürfen. Die Beiden haben sich schon eine kleine Freundesgruppe aus Student:innen aufgebaut und sind jeweils verschiedenen Sportvereinen beigetreten. Zusammen machen die Beiden einen Tangokurs.
Der Wechsel nach Buenos Aires
Mit meinem Wechsel der Einsatzstelle ab Dezember 2024 möchte ich in Buenos Aires auch Tango-Stunden nehmen und den Tanz besser lernen und erleben. Mitte November sind wir alle Uruguay-Freiwilligen im Zuge des kulturweit-Zwischenseminars für eine Woche nach Buenos Aires gefahren. Wie zu Beginn unseres Freiwilligendienstes konnten wir noch einmal eine Woche zusammen im Hostel verbringen und eine neue Stadt zusammen kennenlernen. Von 9 Uhr bis 16 Uhr hatten wir zusammen mit den Brasilien-Freiwilligen Meetings mit einer Trainerin, bei denen wir uns z.B. mit unserem Freiwilligenprojekt, Kolonialismus, Rassismus und Machtstrukturen in Brasilien und Uruguay auseinandergesetzt haben. Auch hier gab es wieder ein Workshop-Angebot. Ich habe mich mit dem Diversitätsmanagement am Goethe-Institut beschäftigt und spannende Inputs bekommen.
Außerdem konnte ich einige Fragen in Bezug auf mein Freiwilligenprojekt stellen, habe hier grobe Vorgaben bekommen und blicke jetzt mit mehr Klarheit in die nächsten Wochen und Monate.
Bis bald Eure Antonia

