Annalena aus Berlin verbringt ihr Auslandsjahr nach der Schulzeit mit einem Stipendium der Stiftung Mensch und Zukunft in Costa Rica. Sie hat sich für das Gap Year als Freiwilligendienst in einem Ort an am Pazifik entschieden. Sie berichtet hier über die Erfahrungen. Alles zu ihrem Auslandsjahr und zu anderen Freiwilligendienstlern ist im AUF IN DIE WELT-Blog zu sehen.
Annalena: Die Zeit vergeht im Freiwilligendienst in Costa Rica wie im Flug
Ich bin mittlerweile seit relativ genau 8 Monaten in Costa Rica. Wenn ich auf die letzten Monate zurückblicke, kann ich gar nicht sagen, ob mir das viel länger oder viel kürzer vorkommt. Einerseits habe ich so viel in den letzten Monaten erlebt, wie wahrscheinlich in den ganzen letzten Jahren nicht und andererseits vergeht die Zeit so schnell, dass ich gar nicht glauben kann, dass ich schon so lange hier bin und in 4 Monaten wieder zurück nach Deutschland fliege.
Annalena hat sich in Costa Rica schnell eingewöhnt
Ich hätte niemals gedacht, dass ich mich so schnell einleben und mich schon nach einigen Tagen wie zuhause fühlen werde. Ich wurde von meiner Gastfamilie wie ein Teil der Familie aufgenommen, was mir meine Anfangszeit wahrscheinlich sehr erleichtert hat.
Und auch bei der Arbeit habe ich mich nicht lange wie “die Neue” aus Deutschland gefühlt. Wir konnten von Anfang an mithelfen und wenn wir etwas nicht verstanden haben oder nicht wussten, wie wir etwas machen sollten, war immer jemand da, der uns sofort weiterhelfen konnte.
Annalena hat in Costa Rica durch die Arbeit in der Kirche schnell Anschluss gefunden
Ich denke, dass ich unter anderem auch dadurch so schnell Anschluss gefunden habe, dass ich durch meine Arbeit jeden Sonntag in die Kirche gehe. Wir treffen uns jeden Sonntag am Strand zum Gottesdienst und singen zusammen und hören, mit Wellenrauschen im Hintergrund, der Predigt des Pastors zu. Nach der Kirche gehen wir mit vielen aus der Kirche zu meiner Mentorin nach Hause zum Mittagessen, Quatschen und Spiele spielen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ein kleiner Teil meiner Arbeit daraus besteht.
Sonntags in die Kirche zu gehen, da ich dadurch super viele tolle Menschen kennenlernen konnte und dadurch auch sehr gut in der Community aufgenommen wurde. Generell hat der Glaube für viele Menschen in Costa Rica eine sehr große Bedeutung, da er ihnen selbst in hoffnungslos scheinenden Situationen Hoffnung schenkt und ihnen einen Ausweg aus ihrer Situation zeigt. Meine Arbeit bei YoungLife ist sehr christlich orientiert und auch bei meiner Arbeit habe ich in den letzten Monaten gemerkt, welche Rolle der Glaube im Leben der Jugendlichen spielt, um ihnen einen sicheren Ort zu schenken, in dem sie sich öffnen können und ihre Gedanken teilen können, da dies bei vielen in ihren eigenen Familien nicht möglich ist.
Annalena ist in Costa Rica gut in die spanische Sprache gekommen
Des Weiteren hat mich überrascht, dass ich von Anfang an erstaunlich gut mit meinem Spanisch zurechtkam. Nachdem mir in Deutschland erzählt wurde, dass die meisten Costa Ricaner eigentlich gar kein Englisch sprechen würden, hatte ich, bevor ich in meine Gastfamilie kam, echt etwas Schiss, dass ich zu Anfang große Kommunikationsprobleme haben werde.
Ich hatte in Deutschland für einige Monate einen Spanischkurs, bei dem ich aber eigentlich wirklich nur die Basics gelernt habe. Trotz allem konnte ich mich von meinem ersten Tag an verständigen, auch wenn ich mich rückblickend oft selbst frage, wie genau das funktioniert hat. Es hat mir meine Anfangszeit definitiv deutlich vereinfacht, da ich mich so auch mit Leuten unterhalten konnte, die wirklich gar kein Englisch sprechen.
Annalena hat in Costa Rica eine neue Sicht auf das Land und Deutschland bekommen
Ich merke, dass ich mich seit ich in Costa Rica bin, aber vor allem in den letzten Monaten durchaus verändert habe und mir viel deutlich bewusster geworden ist oder ich angefangen habe, bestimmte Dinge aus Deutschland wirklich zu schätzen.
Bevor ich nach Costa Rica gekommen bin, war mein Bild von dem Land eigentlich immer durchweg positiv geprägt, man denke an den Umweltschutz, die Abschaffung der Armee oder einfach an eines der ‚glücklichsten Länder der Welt‘. Wenn man aber wirklich für eine gewisse Zeit in dem Land lebt, bekommt man immer mehr mit, dass einige Sachen alles andere als gut laufen oder man Costa Rica meiner Meinung nach nicht wirklich als die Schweiz Mittelamerikas bezeichnen kann.
Auch wenn Costa Rica eines der reichsten Länder Lateinamerikas ist, haben viele Familien nicht genügend Essen, um die ganze Familie zu versorgen. Das liegt vor allem daran, dass die Lebenshaltungskosten unfassbar hoch sind und die Menschen im Schnitt sehr wenig verdienen. Letztens wurde mir erzählt, dass 2 Euro die Stunde ein sehr niedriger Lohn ist, 3 Euro aber schon ein sehr gutes Gehalt für einen Lehrer ist.
Und trotzdem sind die Preise von Lebensmitteln oder vor allem Kosmetikartikeln und vielen anderen Produkten deutlich höher als in Deutschland. Daher ist wahrscheinlich auch das Nationalgericht Costa Ricas “Gallo Pinto” (Reis mit Bohnen), da sich viele nichts anderes leisten können. Ein Großteil der Bevölkerung ist dieses Gericht tatsächlich wirklich 3 Mal täglich in allen möglichen Ausführungen - Reis und Bohnen getrennt, Reis mit Bohnen vermischt, kalt, warm oder teilweise auch mit Spiegelei, Rührei, frittiertem Ei oder anderen Beilagen dazu. Als die Schulen während der Pandemie geschlossen waren, hatten viele, da ihnen so eine Mahlzeit weggefallen ist, da die Kinder normalerweise in der Schule Mittag essen können, zeitweise gar nichts mehr zu essen.
Irgendwann wurde dann aber zum Glück einmal im Monat eine kleine Packung Reis, Bohnen und Zucker an alle Schüler verteilt. Das hat die Situation wenigstens ein bisschen verbessert, aber natürlich nur zeitweise, bis auch diese Packungen leer waren.
Ich will mir, um ehrlich zu sein, gar nicht vorstellen, was manche die Tage vor dem Zahltag essen, wenn ich sehe, wie lang die Schlangen vor der Bank sind, wenn die Costa Ricaner ihr Gehalt erhalten…
Teilweise macht es mich echt traurig zu sehen, in was für Verhältnissen die Menschen hier leben und wie groß die Schere zwischen arm und reich ist. Während einige in Gated Communities in großen Villen wohnen, lebt ein Großteil der Bevölkerung in sehr einfachen Häuschen oder Wellblechhütten.
Und selbst diese werden oftmals durch Naturkatastrophen oder die Wetterverhältnisse in der Regenzeit durch Überschwemmungen zerstört. Und auch die Drogenszene ist in dem Land sehr weit verbreitet und dehnt sich immer weiter aus, weshalb es oft zu Revierkämpfen, Schießereien und Morden der verschiedenen Kartelle kommt. Wenn ich über all diese Dinge nachdenke, schätze ich wirklich Wert, dass meine Familie in Deutschland keine Probleme hat, 3 Kinder zu ernähren und ich ohne Angst auch abends noch alleine draußen rumlaufen kann.
Eure Annalena