Yann aus dem Saarland war mit unserem Stipendium in Kalifornien in den USA. Hier berichtet er nach seiner Rückkehr
Mein Auslandsschuljahr ist nun vorüber und ich komme so langsam in meiner alten Heimat an. Wenn ich über die letzten Wochen und Monate nachdenke, wird mir klar, wie ereignisreich und beeindruckend diese Zeit war. Ich habe schönes und weniger schönes erlebt, habe schlechte und gute Erfahrungen gemacht und eine ganze Menge interessanter Menschen kennen gelernt. Durch die neuen Erlebnisse hat sich auch meine Meinung gegenüber manchen Dingen verändert. Ich bin offener und aufgeschlossener geworden.
Schon meine Anreise zum Schüleraustausch war sehr abenteuerlich
Morgens um 4 Uhr ging es von zu Hause los nach Frankfurt. Nach einem gemeinsamen Treffen mit meiner Austausch-Organisation wurden wir in Gruppen eingeteilt. Dann hieß es Abschied nehmen. Nach dem Check-in trafen wir uns mit Austauschschülern meiner Organisation aus Österreich und Deutschland mit Ziel Los Angeles.
Dann ging es los. 12 Stunden über den Teich. Als wir ankamen wurden wir von Betreuern meiner Organisation in Empfang genommen. Für mich ging es sofort weiter. Ab Los Angeles flog ich alleine nach Fresno weiter, nach einer langen und einsamen 4-stündigen Wartezeit. Es war schon Abend als ich endlich in Fresno ankam, nach einer bereits 22stündigen Reise.
Eine Stunde nach mir landete auch Lena aus Österreich. In Fresno übernachteten wir bei einem Ehepaar, die sich für meine Organisation engagieren. Am nächsten Tag kamen weitere Betreuer zu uns, die uns auf unsere neue Umgebung vorbereiteten. Wir waren sehr müde und ich konnte das alles noch gar nicht erfassen. Meine Gastfamilie holte mich ab und ich wurde überrollt von neuen Ereignissen.
Schüleraustausch USA: Montag war sofort Schule mit anschließendem Fußballtraining
Sofort fand ich dort Freunde. Alles war neu, alles war anders. Die Umgebung, sehr beeindruckend und wild. Meine Familie, sehr ordentlich und verschlossen, außer mein Gastbruder, mit ihm kam ich sofort klar. Die Schule war auch gewöhnungsbedürftig. Jeden Tag hatten wir die gleichen Schulstunden und jeden Tag hatte ich sofort im Anschluss Fußballtraining. Feste Klassengemeinschaften gab es nicht. Jedes Schulfach war in einem eigenen Schulraum und dort traf jeder ein, der gerade z.B. Mathe hatte. Die Schüler waren alles sehr hilfsbereit und halfen mir, mich zurecht zu finden.
Mittags gab es Lunch. Wir gingen in Gruppen zum Supermarkt oder zu Fastfood-Restaurants und ähnlichem. Ich war sofort integriert. Nie war ich alleine. Sam, mein Gastbruder war im Fußball dabei. Gegen 15:30 Uhr kamen wir immer heim und auf dem Tagesprogramm stand American Football. Die Saison hatte angefangen und täglich gab es Spiele im Fernsehen. Jeden Freitag gab es auch in der Schule ein American Footballspiel, wo wir alle hingingen und unser Team anfeuerten. Ganz Mariposa war anwesend und man kam auch mit anderen leicht in Kontakt. Am Abend haben wir oft als Familie etwas zusammen gemacht und auch zusammen gegessen.

Meine erste Gastfamilie für den Schüleraustausch USA
Die Familie bestand aus Chris und Jody sowie den Kindern Shannon (die wohnte schon in Morro Bay), Sam und Kathleen und anfänglich Ian, der als Adoptivsohn aufgenommen worden war. Ian zog aber schon nach 2 Wochen nach meiner Ankunft aus. Die Eltern waren nett, aber stellenweise auch sehr schwierig. Sehr wichtig war Ihnen die Religion. Der sonntägliche Kirchenbesuch war ein Muss und die davor stattfindende Sonntagschule gewünscht. Am Wochenende gab es oft Veranstaltungen der Kirchengemeinde, wo die Jugendlichen sich trafen.
In der Schule konnte ich von Anfang an recht gut mitarbeiten. Klar war da die andere Sprache, aber es dauerte nicht lange und ich träumte in Englisch. Wenn man Probleme in der Schule hatte, gab es die Möglichkeit zu einem Learningcenter zu gehen. Dort bekam man Hilfe in allen Fächern. Meine Noten wurden immer besser. Nach drei Monaten war die Fußballsaison zu Ende. Ich hatte mich in der Fußballmannschaft gut integriert, hatte meine feste Position und meine Erfolge. Es war total klasse. In der Schule hatte ich Kunst gewählt und einen Kunst-Kontest gewonnen mit dem Thema Yosemite. Die Urkundenverleihung war in dem Yosemite National Park wohin mich Chris gefahren hatte und wir uns noch einen schönen Tag gemacht hatten.
An Thanksgiving besuchten wir meine Gastschwester Shannon in Morro Bay und verbrachten dort zwei schöne Tage. Wir fuhren Kanu, Longboard und schauten uns die Seerobben an. Obwohl wir als Familie sehr viele schöne Stunden erlebten, konnte ich mit meiner Gastmutter nicht richtig warm werden. Ich hatte das Gefühl, dass sie mich als Mensch nicht verstand und auch auf meine Meinung keinen Wert legte. Mit Chris, meinem Gastvater, verstand ich mich super, aber nur dann, wenn Jody nicht da war. Auch die Konfrontation mit der Kirche war mir zu stark.
Ich war bereit, alle 14 Tage ihr Programm mit zu machen, aber so denken wie sie, wollte ich nicht. Die Situation wurde immer schwieriger. Man Verbot mir den Internetzugang. Das Problem daran war, dass das die einzige Möglichkeit war, Kontakt mit meiner Familie und mit meinen Freunden zu halten. Die Kontrolle nervte mich sehr und ich versuchte damit auszukommen. Sam und ich wurden sehr eingeschränkt. Viele Aktivitäten unserer Freunde durften wir nicht mitmachen und mit Mädchen sich treffen war absolut verboten.
Ansonsten lief alles prima weiter. Ich bekam mein erstes Zeugnis. Ich war mit den Noten sehr zufrieden und obwohl wir in Kalifornien lebten, schneite es. In Shorts und mit Fahrrad machten wir Blödsinn im Schnee, bis wir nass und ausgekühlt waren. Mit meinen Freunden hatte ich so viel Spaß!
Über Weihnachten fuhren wir dann zu Grandma nach Los Angeles
Die ganze Familie kam dorthin. Meinen Laptop durfte ich nicht mitnehmen und die Handys wurden von Jody täglich um 18 Uhr von allen Jugendlichen eingesammelt. So kam es, dass ich weder an Weihnachten noch an Neujahr Kontakt zu meiner Familie haben konnte. LA war sehr beeindruckend und die Familie war sehr nett. Ich bekam viel gezeigt. Den Hall of fame, Santa Monica und Hollywood.
Das 2. Semester der Schule in den USA begann
Die Klassen wurden geändert. Ich bekam andere Fächer und durfte neue Zusatzfächer wählen. Fast zur gleichen Zeit lernte ich Meagan kennen und ich erlebte meinen ersten Valentinstag mit ihr. Sie war bei den Chearleadern meines Teams. Ich sah sie leider nur in der Schule oder beim Fußball. Eine Verabredung war kaum möglich, Jody hatte die vollkommene Kontrolle.
Die Situation in der Gastfamilie wurde immer schwieriger
Ich suchte Rat bei meinen Betreuern und sie meinten, ich solle mir eine neue Familie suchen. Gerne wäre ich zu Becky gegangen, einer Mutter eines Freundes. Mit ihr verstand ich mich sehr gut und sie war wie eine Tante zu mir. Sie hatte aber bereits einen Adoptivsohn, einen eigenen Sohn und einen Austauschschüler. In meiner Fußballmannschaft war Willi und er redete mit seiner Mutter. Dann ging alles sehr schnell. 5 Tage danach zog ich zu Kathy.
Kathy ist Krankenschwester und Mutter von vier Söhnen. Ihr Mann starb vor 11 Jahren und sie hat ihre Söhne alleine aufgezogen. Bei ihr fand ich Verständnis, Vertrauen und Wärme. Wir verstanden uns sofort und mit Willi hatte ich eh schon vorher viel Spaß.
Alles nahm eine positive Wendung
Fußball spielten wir nun in der Halle. Jeden Freitag hatten wir Matches gegen andere Mannschaften. Meist ältere Spieler, zwischen 20 und 35 Jahren. Trotzdem gewannen wir viele Spiele. Die zweite Hallensaison begann und wir hatten spring break. Meagan beendete unsere Verbindung, aber wir blieben Freunde.
Eigentlich sollte ich in den Ferien mit der Kirchengemeinde nach Mexiko. Mariposa unterstützt dort eine Schule und ich hatte an dem Projekt die ganzen Wochen davor mitgeholfen. Jetzt sollten die Jugendlichen mit dem Bus dorthin fahren. Ich freute mich schon riesig darauf. Schon alleine wegen Sam, da ich mich mit ihm immer noch gut verstand.
Leider waren Chris und Jody sehr enttäuscht und böse auf mich, da ich gewechselt hatte und sie veranlassten, dass ich nicht mit fahren durfte. Ich war verzweifelt. Meine neue Gastfamilie hatte ihren Urlaub bereits gebucht und eine richtige Luxusreise geplant. Es schien, dass ich alleine bei einer älteren Betreuerin meiner Organisation bleiben sollte.
Schüleraustausch USA mit Urlaub mit der Gastfamilie in der Karibik
Kathy hatte lange gespart und für sich und Willi eine Schifffahrt in die Karibik gebucht. Sie bot meiner Mutter an, dass ich doch mitkommen sollte. Sie hätte mich sehr lieb und würde sich sehr freuen, wenn ich dabei wäre. Meine Oma, mein Opa und meine Mutter halfen mir dabei die Reise zu finanzieren. Außerdem war ich in den Wochen davor sehr sparsam mit meinem Taschengeld umgegangen. Kathy buchte sofort eine 3-er Kabine und am 18. April ging es dann los. Von San Francisco ging es mit dem Flugzeug nach Charlotte und von dort aus nach Miami. Dort übernachteten wir in einem sehr schönen Hotel und morgens ging es an Bord. Zuerst bekam ich Probleme wegen der Zulassung, aber letztendlich stellten sie fest, dass doch alles gut war und wir durften aufs Schiff. Die große Fahrt begann und ich erlebte unbeschreibliches. Ich schnorchelte mit Meeresschildkröten und schwamm mit Delphinen. Essen konnte man den ganzen Tag und immer gab es Party. Herrliche Strände und Palmen, wie aus dem Fernsehen.
Und Kathy war unglaublich lieb. Sie behandelte mich genau wie ihren eigenen Sohn. nahm mich in den Arm und wir hatten unglaublich viel Spaß miteinander. Die Reise ging schnell vorbei. An den Virgin Island zu den Bahamas zurück nach Miami. Und dann flogen wir über Phoenix zurück nach San Francisco. Kathy besitzt nicht viel und für alles arbeitet sie hart, aber sie würde alles teilen. An erster Stelle steht ihre Familie und sie ist immer für jeden da. Diese Herzlichkeit werde ich niemals vergessen. Bei den Coyles war alles Materielle da. Alles war organisiert, sauber und aufgeräumt. Aber bei allem fehlten das Herz und das Vertrauen.
Nach den Ferien ging alles weiter wie bisher in meinem Auslandsjahr
Schule, Fußball, Freunde. Es wurde warm und auch die Flüsse und Seen wurden warm. Wann immer wir konnten fuhren wir hinaus zum Fluss und sprangen von einem Felsen ins Wasser. Die Tage vergingen wie im Flug und dann gab es Zeugnisse. Viele Freunde von mir graduierten und es gab einige Feiern. Ich verabschiedete mich von meinen Lehrern und mir wurde langsam bewusst, dass das der Anfang von meinem Abschied war.
Mein Abschied vom Auslandsjahr in den USA
Wir, Kathy, Willi, ein paar Freunde und ich fuhren nach dem Schulaus noch für ein paar Tage nach Santa Cruz zum Zelten. Ich erlebte die letzten Tage mit meinen amerikanischen Freunden und meiner Gastfamilie. Als wir wieder in Mariposa waren gab es ein Abschiedsfest für mich. Es war sehr traurig und täglich denke ich an meine ganzen Freunde dort. Am letzten Abend waren nochmals alle zusammen und wir hatten viel Spaß miteinander. Wir machten Blödsinn und ich stürzte so schlimm, dass der Abend im Krankenhaus endete mit einer 16-Stiche-Naht am Knie. Erst am Sonntagmorgen um 4 Uhr kam ich zurück.
Es blieb mir gerade noch so viel Zeit meine letzten Sachen zu packen und dann fuhren wir nach Fresno zu einer Betreuerin. Dort kamen alle Austauschschüler meiner Organisation aus der Region zusammen. Nachts um 12 hieß es dann Abschied nehmen von seinen Liebsten. Es war ein harter Abschied. Kathy weinte und es fiel mir sehr schwer zu gehen. Aber ich versprach ihr, dass wir in Kontakt bleiben und dass wir uns nie vergessen.
Rückkehr aus dem Schüleraustausch: Zuhause war alles sofort wie immer
Montagmorgen kamen wir dann mit dem Bus in Los Angeles an und trafen mit weiteren Austauschschülern meiner Organisation zusammen um 15 Uhr ging dann mein Flug nach Hause und Dienstag um 11 Uhr Ortszeit war ich dann in Frankfurt. Zu Hause in meiner Heimatstadt warteten bereits meine Freunde in unserem Garten. Es war sofort wie immer, sehr vertraut und alles bekannt. Ein sehr schönes Gefühl. Mittlerweile habe ich geschlafen und meinen normalen Rhythmus gefunden.
Das Auslandsjahr ist das spannendste und tollste Jahr in meinem Leben bisher
Ich habe Freunde gefunden und viel gelernt. Nicht nur die Sprache. Auch dass es sich lohnt, sich in ein festes Gefüge einzuordnen. Dass es nicht immer so ist, wie man es gewohnt ist und dass man für Neues offen sein soll. Aber wenn man feststellt, dass man unglücklich ist, lohnt es sich auch auszubrechen und einen neuen Weg zu gehen.
Wie in meinem Fall mit der Familie. Ich war sehr unglücklich und habe mich einsam gefühlt. Trotz der Freunde. Es war schwierig, da es nicht einen Punkt gab, den man nennen konnte, warum man nicht bleiben kann. Und deswegen haben Chris und Jody es leider nicht verstanden. Ich hoffe, dass sie mir das verzeihen werden, da ich weiß, dass sie eigentlich es nur gut mit mir meinten. Den Unterschied habe ich aber erst durch Kathy richtig gespürt. Sie hat mir jede Tür geöffnet und mir vertraut und mir gezeigt, wie sehr sie mich mag. Das war toll und ich habe die letzten Wochen so richtig genossen.
Ich weiß jetzt auch, dass es für alles eine Lösung gibt und dass man auch sich selber vertrauen soll
Auf sein eigenes Gefühl. Ich will in meinem Leben noch viel erleben und freue mich darauf. Angst davor habe ich keine. Ich glaube an mich und weiß, dass ich alles schaffen kann, was ich möchte. Ich werde meine Freunde nie vergessen. Die sind so wichtig, egal wo man ist.
Und das ist auch mein Tipp an alle für den Schüleraustausch
Man muss nicht alles aufgeben, um etwas Neues zu beginnen. Die alten Freunde muss man pflegen und sich auch bei Ihnen melden. Trotzdem kann man neue Freundschaften aufbauen. Dabei hat der Sport viel geholfen. Ich war gerade mal seit 24 Stunden in Mariposa, das erste Mal in der Schule und hatte schon fast 20 Jungs kennengelernt mit einem gemeinsamen Interesse, dem Fußball.
Heimweh hatte ich keines. Natürlich, als es mir schlecht ging, habe ich mich einsam gefühlt und zu Hause wäre es einfacher gewesen, aber ich wusste, wenn ich das hinbekomme, dann kann mir niemals etwas passieren, dann werde ich für mich immer einen Plan B finden.
Euer Jan








